Redaktion - Freitag, 27. Juni 2025, 16:00 Uhr.
Für Kardinal Gianfranco Ghirlanda SJ ist die größte Herausforderung des Vatikans, weltliches Handeln und geistliche Identität in Einklang zu bringen. „Der Heilige Stuhl ist dazu berufen, in der Welt zu handeln, ohne sich selbst weltlich werden zu lassen“, sagte der Kirchenrechtler, der unter Papst Franziskus einen großen Einfluss hatte, und verwies dabei auf die Lehre des heiligen Ignatius von Loyola.
Anlässlich des Jubiläums des Heiligen Stuhls innerhalb des Heiligen Jahres hatte Ghirlanda die grundlegenden Unterschiede zwischen dem Heiligen Stuhl, der Vatikanstadt und der Römischen Kurie in einem Interview mit dem Nachrichtenportal Zenit dargelegt.
Nach ignatianischer Tradition müssten die Mittel Mittel bleiben – würden sie zum Ziel, ginge die evangelische Kohärenz verloren. „Wenn weltliche Instrumente die Kontrolle übernehmen, läuft die Kirche Gefahr, ihre Identität zu verlieren und am Ende Prestige und Macht statt den Menschen zu verteidigen“, warnte Ghirlanda.
Diese Unterscheidungslehre, die in den geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola zentral verankert ist, befähigt zur kritischen Differenzierung zwischen göttlichen und weltlichen Einflüssen. Sie ermögliche es, so Ghirlanda, zwischen verschiedenen inneren Regungen zu unterscheiden und den Willen Gottes zu erkennen. Ein Verlust dieser Unterscheidungsfähigkeit würde ein „schwerwiegendes Versagen der Mission“ der Kirche bedeuten.
„Die Diplomatie des Heiligen Stuhls ergibt nur Sinn, wenn sie im Dienst der Person und des Friedens bleibt“, erklärte der Kirchenrechtler. Anders als staatliche Diplomatie verteidige der Vatikan keine Machtinteressen, sondern fördere die menschliche Person und setze sich für die Opfer von Konflikten ein.
Ghirlanda erläuterte, dass der Heilige Stuhl nicht mit dem Staat Vatikanstadt zu verwechseln sei, sondern als Zentrum der Kirchenregierung ein eigenständiges Völkerrechtssubjekt bilde, das diplomatische Beziehungen zu mehr als 180 Staaten unterhalte. Die Vatikanstadt sei hingegen durch die Lateranverträge von 1929 geschaffen worden, um dem Papst volle Freiheit in der Ausübung seines Amtes zu garantieren.
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Die Römische Kurie wiederum umfasse die Gesamtheit der Leitungs- und Verwaltungsorgane des Heiligen Stuhls, die dem Papst bei seiner universalen Sendung dienen.
Wer ist Kardinal Ghirlanda?
Kardinal Gianfranco Ghirlanda SJ, geboren am 5. Juli 1942 in Rom, zählt zu den prägenden Kirchenrechtlern der Gegenwart. Nach seinem Jurastudium an der Universität La Sapienza (Promotion 1966) trat er noch im selben Jahr in den Jesuitenorden ein und empfing 1973 die Priesterweihe.
Seine akademische Laufbahn gipfelte in einer Promotion in Kirchenrecht an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Ab 1975 lehrte Ghirlanda dort als Professor für Kirchenrecht und wurde 1986 zum ordentlichen Professor berufen. Von 1995 bis 2004 amtierte er als Dekan der kanonistischen Fakultät, anschließend bis 2010 als Rektor der Universität.
Seine Expertise führte ihn in zentrale kirchliche Reformprozesse: Ab 2014 leitete er die Neuausrichtung der Legionäre Christi nach den Skandalen um den Gründer Marcial Maciel, 2021 überprüfte er die Laiengemeinschaft Memores Domini. Als Kopf hinter der Kurienreform unter Papst Franziskus verfasste er maßgebliche Teile der Verfassung Praedicate Evangelium (2022).
Am 27. August 2022 erhob ihn Franziskus zum Kardinaldiakon von Santissimo Nome di Gesù; seit dem 19. Juni 2023 dient er als Kardinalpatron des Malteserordens.