Bischof Kohlgraf: Bibeltexte zu Homosexualität sind „vor dem Zeithintergrund” zu verstehen

Bischof Peter Kohlgraf
screenshot / YouTube / Bistum Mainz

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat gesagt, dass biblische Aussagen zur Homosexualität nicht als zeitlose Wahrheiten gelesen werden dürften. Bei der am Sonntag ausgestrahlten Diskussionsrunde im SWR mit dem Titel „Demokratieforum“ erklärte er: „Ich werde Texte aus der Heiligen Schrift, die über Homosexualität sprechen, heute immer vor dem Zeithintergrund verstehen.“

In einer Podiumsdiskussion mit Moderator Michel Friedman und dem Journalisten Ronen Steinke widersprach Kohlgraf zudem der Darstellung, die Kirche erschwere die gesellschaftliche Akzeptanz homosexueller Lebensweisen.

Steinke hatte zuvor erklärt, er empfinde die Haltung der Kirche zur Homosexualität als Ausdruck von struktureller Machtausübung. Er sagte: „Wir als Gesellschaft [haben] mächtige Gruppen – und die Kirche ist eine seit Jahrhunderten sehr mächtige Gruppe hierzulande –, die den Leuten sagt: ‚Wir wollen es nicht hören, don’t ask, don’t tell.‘“ Damit würden homosexuelle Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt und ihre Lebensweise abgewertet: „Man vermittelt Menschen, es sei irgendwie schmutzig, es sei irgendwie Schmuddelkram.“

Kohlgraf widersprach dieser Einschätzung. „Kann ich nicht teilen, das muss ich deutlich sagen“, betonte er. Als Bischof verfüge er nicht über die Macht, Menschen das Wort zu verbieten oder deren Privatleben zu reglementieren: „Wir reden offen über diese Themen.“

Moderator Friedman lenkte die Diskussion auf die grundsätzliche Rolle religiöser Moralvorstellungen. Friedman zufolge hätten die monotheistischen Religionen ihre gesellschaftliche Relevanz stets über moralische Normsetzungen behauptet. Friedman sagte: „Sich dann jetzt die Hände so in Unschuld zu waschen, finde ich dann doch etwas, da fehlt mir die Seife […].“

Kohlgraf entgegnete darauf: „Die Seife könnte zum Beispiel sein, dass ich heute als studierter Theologe mit biblischen Texten anders umgehe, als sie nur als Steinbruch zu nutzen für meine eigene persönliche Meinung oder für eine kirchliche Lehrmeinung.“

Heute würden theologische Aussagen auf Grundlage wissenschaftlicher Methodik interpretiert. Insbesondere Texte über Homosexualität aus der Bibel könne man nicht als zeitlos gültige Wahrheiten verstehen. Kohlgraf betonte: „Ich werde zum Beispiel heute Texte aus der Heiligen Schrift etwa, die über Homosexualität sprechen, immer vor dem Zeithintergrund verstehen und nicht einfach zeitlos gültige, ewige Wahrheiten ableiten.“

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Der Bischof sagte zudem: „Ich werde immer auch die Humanwissenschaften etwa in meinen Reden über Sexualität, über Partnerschaft auch mit einbinden“. Er grenze sich bewusst von einem rein dogmatischen Verständnis ab: „Ich nehme nicht einen Halbsatz aus der Bibel und sage: Das ist jetzt der Halbsatz, der unhinterfragt für alle gilt.“

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Haltung der katholischen Kirche zur Homosexualität

Die katholische Kirche vertritt eine ablehnende Position zur Homosexualität, bei der sie zwischen der sexuellen Orientierung und den sexuellen Handlungen unterscheidet. Während homosexuelle Neigungen selbst nicht als sündhaft gelten, betrachtet die Kirche homosexuelle Handlungen als schwere Sünden gegen die Keuschheit.

Das Fundament der kirchlichen Lehre bildet das Naturrecht, eine in die menschliche Natur – das Gewissen – eingepflanzte Morallehre, die durch die natürliche Vernunft erkennbar ist. Laut katholischer Sexualtheologie müssen alle sexuellen Handlungen von Natur aus offen für die Fortpflanzung sein und somit die männlich-weibliche Komplementarität ausdrücken. Sexuelle Handlungen zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts können dies nicht erfüllen.

Der Katechismus der katholischen Kirche klassifiziert homosexuelle Handlungen als „schlimme Abirrung“, die „in sich nicht in Ordnung sind“.

Trotz der eindeutigen Ablehnung homosexueller Handlungen fordert die Kirche einen respektvollen Umgang mit homosexuellen Personen. Die kirchliche Lehre ruft homosexuelle Personen zur Keuschheit auf, wie andere Christen auch.

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